****** Nach dem Ende der Beatles erwartete alle Welt von Paul McCartney musikalische Wundertaten. Schließlich war er neben John Lennon der musikalische Kopf der Fab-Four. Diese hohen Erwartungen konnte und wollte Paul nicht erfüllen. Um so enttäuschter reagierten sowohl die Musikkritiker als seine Fans auf seine erste Soloscheibe „McCartney“. Einerseits ist diese Enttäuschung verständlich, weil sie gemessen an den Beatles eher schlicht klingt. Andererseits ist die Kritik, die ihm seinerzeit, 1970, entgegenschlug, völlig unberechtigt. So schlicht das Werk im ersten Moment auch klingen mag, so grandios ist es, bergen die insgesamt 14 meist kurzen Stücke alles in sich, was einen guten McCartney Song so ausmachen. „McCartney“ ist ein Solowerk im wahrsten Sinne des Wortes, denn Paul hat das Debüt fast im Alleingang produziert. Er trat nicht nur als Komponist und Sänger auf, sondern er spielte auch noch alle Instrumente selber und produziert hat er das Werk auch noch. Die einzige Hilfe bekam er von seiner Frau Linda, die bei dem ein oder anderen Lied dezent im Hintergrund mitsang und die Coverfotos beisteuerte. So gesehen ist „McCartney“ Pauls persönlichstes Album überhaupt. Die einzelnen Lieder verraten eindeutig Pauls Handschrift, auch wenn sie zeitweise etwas sperrig klingen. Aber genau diese Prämisse ist es, die den Reiz von „McCartney“ ausmacht. Bis auf „Maybe I’m Amazed“ und „Every Night“ muß man auf die einzelnen, durchwegs exzellenten Lieder nicht eingehen, weil ihre Qualität für sich spricht (der Name Paul McCartney bürgt halt für eine solch hohe Qualität). „Every Night“ ist ein typischer McCartney Song mit enormen Hitqualitäten, der einige Jahre später von The Drifters und der fabelhaften Phoebe Snow gecovert wurde. In der Version von Phoebe Snow kam „Every Night“ im Januar 1979 zu (bescheidenen) Hitehren in England. Und „Maybe I’m Amazed“ war in der Liveversion von Pauls Band The Wings im Frühjahr 1977 international recht erfolgreich. Dabei hätte diese grandiose Nummer schon 1970 die Beachtung verdient gehabt, die ihr zusteht. Ohne Übertreibung kann man „Maybe I’m Amazed“ zu den herausragenden Nummern im Gesamtwerk des Paul McCartneys zählen. Alles in allen ist „McCartney“ auch ohne diese Glanznummer ein herausragendes Album, ein musikalisches Juwel, das erst noch entdeckt werden muß.
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